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Weihnachtliche "Nachlese"
"Die Kraft des Glaubens"
Unter dieser Überschrift brachte Christoph Müller vom Schwäbischen Tagblatt eine Glosse zu seinen Erfahrungen mit Predigten am Heiligen Abend.
Er weiß wohl, daß mit der Weihnachtszeit "viel (Überzeugungs-)Arbeit" auf die Pfarrer am Heiligen Abend zukommt. Er sieht auch richtig, daß dies eine "Hochsaison für Prediger" ist. Mit dem Hinweis auf die überfüllten Kirchen, sieht er für die Prediger eine Chance mit ihrem Anliegen an den Mann und die Frau zu kommen.
Aber gerade da muß er feststellen, daß "von der Kanzel herab schon lange nicht nur die reine Lehre der Bibelauslegung verkündigt" wird. Er fragt auch, ob denn die Kirche angesichts "so unbewältigbar vieler Konfliktpotenziale und Hilferufe" "speziell die ziemlich verzagte deutsche Kirche dafür gerüstet" sei. Er sieht neben all den vielen Notständen auch einen "Notstand der Kirche". Er zitiert dann weiter das Ergebnis einer Umfrage des "Worl Economic Forums" in 47 Ländern, dem zufolge die Kirche in Deutschland am letzten Platz landet. Die Ursache daran sieht der Schreiber darin, daß die Kirche ihr eigentliches Profil verleugnet hat. Er meint: "Die Kraft des Glaubens, des spezifisch christlichen Glaubens ... braucht als Erstes den eigenen Glauben an den Glauben".
Das sind ernste Worte! Ob sie auch stimmen?
In seinem Resumee kommt der Schreiber dann zu einer harten Kritik:
"Noch nie war die evangelische Kirche so weit entfernt von dem, was ihren größten Reformator und Gottesstreiter Martin Luther auszeichnet: ungeniert deutliche Worte, ein klarers Ja oder ein klares Nein statt kompromisslerisch unverbindlichem Jein. Was dabei herauskommt, wenn man's allen recht machen und niemandem weh tun will, das habe ich am Heiligen Abend vergangenen Jahres im Umkehrschluß erlebt ..." - und dann schildert er sein Erlebnis bei einem Heilig Abendgottesdienst.
Mich, als Pfarrer eben dieser evangelischen Kirche, hat diese Aussage sehr nachdenklich gemacht:
- Was der Autor der Glosse wohl im Blickfeld hat - vielleicht auch Entscheidungen evangelischer Landeskirchen zur Homo-Segnung?
- Oder vielleicht auch die Tatsache, daß unsere Kirche sich oft stärker gibt, wenn es um Umweltfragen geht als um Fragen der "geistlichen Umwelt"?
Man könnte ihn ja fragen - vielleicht auch mal von der gerügten Kirche zu einer Tagung (z.B. der Pfarrer im Kirchenbezirk Tübingen) einladen.
Ich werde Ihm auf jeden Fall diese kleine Weihnachts-"Nachlese" zugehen lassen.
Ihr Pfarrer Stehle
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