Fest zur Eröffnung der Heimatstube (6.5.2007)
Festansprache zur Einweihung der Franzfelder Heimatstube
(Pfarrer i.R. Jakob Stehle, Freitag, 9.März 2007)
Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn. Röm 14,8b

Liebe Franzfelder Landsleute, verehrte Gäste!
Zuvor ein Grußwort der Ortsgemeinschaft Mramorak. Unser Vorsitzender, Herr Peter Zimmermann, lässt herzlich grüßen und wünscht Ihnen Glück für die Heimatstube. "Es ist schön, dass in Reutlingen nun auch für die Franzfelder ein Ort gefunden wurde, um kostbare Erinnerungsstücke aufzubewahren."
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Ja, liebe Franzfelder, für Sie geht heute – 215 Jahre nach der Gründung der Ortschaft Franzfeld - ein langersehnter Wunsch in Erfüllung: Sie bekommen ihre eigene Heimatstube. In ihr dürfen Sie all die Dinge aufbewahren, die mit Ihrem Heimatort Franzfeld in Zusammenhang stehen, seien es die wunderschönen Trachten oder aber andere Gegenstände.

1.
Die Heimatstube erinnert uns an das Leben in Franzfeld:
Kleider und Dinge sind eben nicht neutral. Mit ihnen drücken wir unsere Verbundenheit zur Tradition (und wenn Sie so wollen) zum „Wertekanon“ unserer Heimat aus. Sie sind Zeichen der Verbundenheit mit einer Gemeinschaft, in die wir hineingeboren wurden und der wir für das Gelingen unseres Lebens zu danken haben.
Um ein Beispiel zu nennen, möchte ich die Sprache herausgreifen: <
"... Ohne Pflege der Muttersprache in Kirche und Schule wäre der Fortbestand unserer Gemeinschaft wohl keine zwei Jahrhunderte gewährleistet gesen. Das haben die Gemeinden an der Militärgrenze wohl am deutlichsten erfahren ..."
Dr.Roland Vetter - Bildband, Seite 7
2.
Die Heimatstube erinnert uns aber auch an das Leiden.
Diese Heimatstube erinnert aber auch gleichzeitig an das Leiden der donauschwäbischen Heimatvertrieben:
Der 2.Weltkrieg verschonte auch unsere alte Heimat nicht. Nach einigen Jahren der Freude, dass wir Deutschen nun auch wieder Ansehen hatten in einem Staat mit vielen Minderheiten, kam der totale Zusammenbruch. Und die Geschichte einer gelungen Ansiedlung und Integration sowie einer friedlichen Koexistenz verschiedener Nationen fand 1945 ihr trauriges Ende.
Wie grausam dieses Ende war, haben schon viele unserer Landsleute u.a. im Franzfelder Heimatbuch oder später auch in den Kalendern der Franzfelder Kulturellen Interessengemeinschaft e.V.(1984 - 2000) geschildert. Wie viele unschuldige Franzfelder Zivilpersonen, vor allem Alte, Kranke und Kinder in den Vernichtungslagern der Tito-Partisanen unter unmenschlichen Qualen und Erniedrigungen umkamen, und wie viele als Soldaten während des 2. Weltkrieges und noch lange danach ihr Leben lassen mussten, wird wohl nie genau zu ermitteln sein. Namentlich belegt sind über 1300 Opfer; Schätzungen gehen nahe an 2000 Opfer heran, aber jeder und jede einzelne ist ein Opfer zuviel.

3.
Die Heimatstube erinnert uns an alle Landsleute
Die Nachkommen der ehemaligen deutschen-evangelischen Ortschaft "Franzfeld" (im Banat), sind heute in alle Welt zerstreut. Vor allem aber haben viele in der Heimat ihrer Ahnen - in Deutschland - eine neue Heimat gefunden.
Für viele Donauschwaben brachten die schrecklichen Ereignisse des 2.Weltkrieges den Tod. Andere mussten in Konzentrationslagern. Nur weniges konnten unsere Landsleute „retten“. Unter Tränen erzählte mir neulich eine Landsmännin, dass man ihr auch noch das Letzte, was an die Heimat und das Leben dort erinnerte, wegnahm : nämlich ihre Bilder!
Sie, liebe Franzfelder Landsleute, haben manches noch mitnehmen können. Das meiste, das wir heute in dieser Heimatstube sehen, ist wohl aus der lebendigen Erinnerung an die alte Heimat geschneidert oder gezimmert worden. Wir dürfen dafür dankbar sein. Und wenn ich „wir“ sage, so meine ich die nachkommenden Generationen, die die Heimat ihrer Eltern und Großeltern nur aus dem Hörensagen kennen.

4.
Die Heimatstube verbindet uns mit dem heutigen Franzfeld Die Franzfelder Heimatstube darf aber auch eine Brücke sein zu den heutigen Bewohnern der ehemaligen Ortschaft, mit dem neuen Namen KACAREVO. Begegnungen zwischen den Menschen fanden ja bereits statt, nicht zuletzt bei der dritten Begegnungsreise im September 2004, bei wir die Erinnerungs- und Versöhnungskapelle auf dem Friedhof in Franzfeld einweihen durften. So ist dieses Haus eine „Heimat“ für alle Franzfelder und für Freunde der Franzfelder und den donauschwäbischen Landsleuten allüberall.
Ich hoffe, dass bald einmal eine Abordnung aus Kacarevo-Franzfeld nach Reutlingen kommt und dann diese Heimatstube besucht.

5.
Die Heimatstube erinnert uns an die ewige Heimat Aber vor allem soll diese Heimatstube uns alle an den erinnern, dem wir das Leben zu verdanken haben – und an den, der uns, die Überlebenden, durchgetragen hat.
Der Apostel Paulus sagt das einmal so:
"Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, daß er über Tote und Lebende Herr sei."
Hinein in den Streit in der christlichen Gemeinde zu Korinth weist Paulus auf den einen HERRN hin, Christus. Wer von ihm gewonnen wurde, wessen Herz von ihm überwunden wurde, wer durch "Wasser und Geist" geboren wurde, der lebt und der stirbt ganz allein diesem Herrn.
Das ist christliche Freiheit, die in allem Tun Jesus Christus vor Augen hat. Sein Kommen in diese Welt und seine Erlösung hat ein neues Bewußtsein gebracht für den Sinn des Lebens und für das Ende dieses irdischen Lebens. Nichts, weder Tod noch Leben, sind seinem Herrsein entzogen. Er ist auferstanden und Gott hat damit offenbart, daß er der Herr ist "über Tote und Lebende".
Paulus weiß, dass das Hier und Jetzt, verbunden mit Tradition von Essen und Trinken, von Kleidern und Häusern, von Feiertagen und Werktragen, vorübergehend ist. Es ist zwar für dieses Leben Hier und Jetzt sehr wichtig, aber es ist nicht wichtiger als die ewige Heimat bei Gott.
Glaubende haben begriffen, daß "das Reich Gottes nicht Essen und Trinken, nicht „zerfallene Mauern“ sind, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist." (14,17)


Ausklang
So möge auch von dieser Heimatstube das Zeugnis von dem lebendigen Gott und seinem Christus ausgehen – zum Trost denen, die die Heimat verloren haben und zur Mahnung an die, die eine neue Heimat gefunden haben.

So grüße Ich sie alle heute in dieser denkwürdigen Stunde mit dem Gruß der Mramoraker – der gleichzeitig mein Wunsch für diese Heimatstube und für alle Menschen ist, die ein- und ausgehen: „HELF GOTT“.

Jakob Stehle, Pfarrer i.R.